Von den Börsengenies lernen – zeitlose Strategien für Anleger

An den Aktienmärkten herrschen derzeit widersprüchliche Signale: Einerseits Rekordstände an den Börsen, andererseits eine schwächelnde Konjunktur und geopolitische Unsicherheit. Anlegerinnen und Anleger fragen sich, wie sie in dieser Situation am besten vorgehen sollen. Ein Blick auf die großen Börsenlegenden der Vergangenheit zeigt: Es gibt Strategien, die auch heute Orientierung geben. Benjamin Graham, Warren Buffett, Charles Munger, John Templeton, André Kostolany und Jesse Livermore haben Wege aufgezeigt, wie man erfolgreich investieren kann – oft gerade dann, wenn die Zeiten schwierig waren.

Benjamin Graham – Der Vater des Value-Investing

Benjamin Graham gilt als Begründer des Value-Investing. Er lehrte, dass man nur dann Aktien kaufen sollte, wenn der Kurs deutlich unter dem inneren Wert des Unternehmens liegt. Dieser Wert ergibt sich aus Fundamentaldaten wie Gewinnen, Eigenkapital, Verschuldung oder Dividenden. Damit stellte er die Börsenwelt auf den Kopf, die bis dahin stark von Spekulation und Insiderwissen geprägt war.

Ein berühmtes Beispiel ist die „Dogs-of-the-Dow“-Strategie: Anleger kaufen die dividendenstärksten Titel eines Index – meist sind es die Unternehmen, die kurzfristig in Ungnade gefallen sind. Langfristig erwiesen sich viele davon als solide Renditebringer. Grahams Ansatz lehrt uns vor allem Geduld und die Fähigkeit, gegen den Strom zu schwimmen, wenn Panik die Kurse drückt.

Charles Munger – Qualität vor Schnäppchen

Grahams Schüler Warren Buffett verdankt seinem jahrzehntelangen Partner Charles Munger entscheidende Impulse. Munger brachte Buffett bei, nicht nur nach billigen Aktien zu suchen, sondern lieber in großartige Unternehmen zu investieren – auch zu einem höheren Preis. Wichtig sind ihm dauerhafte Wettbewerbsvorteile, ein verständliches Geschäftsmodell und eine starke Unternehmensführung.

Munger legte zudem Wert auf interdisziplinäres Denken: Wer Physik, Psychologie oder Biologie versteht, kann Märkte oft besser einordnen. Seine wichtigste Botschaft: Wenige, aber herausragende Investments sind besser als viele mittelmäßige.

Sir John Templeton – Antizyklisch denken

Templeton wurde berühmt, weil er immer wieder den Mut hatte, in Krisen zu kaufen. Sein Leitsatz lautete: „Dieses Mal ist nicht alles anders.“ Damit warnte er vor dem Irrglauben, dass alte Regeln plötzlich keine Gültigkeit mehr hätten. Besonders in Phasen von Euphorie – wie während der Dotcom-Blase – riet er zur Vorsicht. Umgekehrt empfahl er, im Pessimismus mutig zuzugreifen.

Sein berühmtes Bild der Marktzyklen ist heute noch lehrreich: Bullenmärkte beginnen im Pessimismus, wachsen in Skepsis, reifen im Optimismus und sterben in Euphorie. Wer das beherzigt, erkennt: Große Chancen liegen oft in Zeiten der größten Verunsicherung.

André Kostolany – Psychologie ist entscheidend

Kostolany war ein Meister darin, die Psychologie der Börse zu beschreiben. Sein Rat: „Kaufen Sie Aktien, nehmen Sie Schlaftabletten und schauen Sie lange nicht mehr hin.“ Dahinter steckt die Erkenntnis, dass kurzfristige Schwankungen meist von Emotionen bestimmt werden – und nicht von Fakten.

Er prägte den Begriff der „zittrigen Hände“: Anleger, die in Euphorie zu teuer kaufen und in Panik zu billig verkaufen. Erfolgreich sind dagegen die Geduldigen, die antizyklisch handeln und sich nicht von der Masse treiben lassen. Kostolany machte klar: Wer die Psychologie versteht, kann Übertreibungen erkennen und Chancen nutzen.

Jesse Livermore – Der König der Spekulanten

Jesse Livermore ging einen anderen Weg: Er war ein Spekulant, der in großen Börsencrashs Vermögen machte – aber auch mehrfach alles verlor. Sein Erfolgsgeheimnis lag im Folgen von Trends. Gewinne ließ er laufen, Verluste kappte er sofort. Er kaufte Positionen in Etappen nach, wenn sich ein Trend bestätigte, und stieg konsequent aus, wenn er sich umkehrte.

Seine Lehre: Nicht die eigene Meinung zählt, sondern was der Markt tatsächlich tut. Für Privatanleger bedeutet das: Verluste nicht aussitzen, sondern rechtzeitig die Reißleine ziehen.

Warren Buffett – Langfristig und diszipliniert

Warren Buffett ist der wohl bekannteste Investor der Welt. Sein Credo lautet: „Sei gierig, wenn andere ängstlich sind – und ängstlich, wenn andere gierig sind.“ Damit bringt er antizyklisches Handeln auf den Punkt.

Buffett investiert in solide Unternehmen mit starken Bilanzen und stetigen Erträgen. Dabei achtet er weniger auf kurzfristige Entwicklungen, sondern auf die Perspektive von Jahrzehnten. Ein weiteres Erfolgsrezept: hohe Cash-Reserven, die er gezielt in Krisen einsetzt, um günstig zuzuschlagen. Über allem steht seine Grundregel: „Verliere niemals Geld.“

Fazit für Anleger

Die sechs Börsenlegenden haben unterschiedliche Wege beschritten, doch ihre Kernbotschaften ähneln sich:

  1. Langfristig denken statt kurzfristigen Trends hinterherlaufen.
  2. Disziplin und Geduld sind wichtiger als hektisches Handeln.
  3. Antizyklisch investieren: Chancen liegen oft in Phasen von Panik und Pessimismus.
  4. Qualität schlägt Quantität – lieber wenige, gute Unternehmen im Depot.
  5. Psychologie verstehen: Wer seine Emotionen im Griff hat, bleibt erfolgreich.

Gerade in unsicheren Zeiten können Anleger von den Erfahrungen dieser Legenden profitieren. Ihre Strategien sind keine starren Regeln, sondern wertvolle Orientierungshilfen – zeitlos und erprobt in guten wie in schlechten Börsenphasen.

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Ihr
Wolfgang Ruch

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